Bei Krankheiten kann im Arbeitsleben zu allem Überfluss noch eine Kündigung hinzukommen. Die krankheitsbedingte Kündigung bietet jedoch auch häufig Angriffspunkte. Was der Arbeitgeber dabei beachten muss und wann es sich lohnt, gegen die Kündigung vorzugehen, erfahren Sie hier.

  1. Checkliste: Ist Ihre Entlassung wegen Krankheit wirksam?

Die Kündigung wegen Krankheit unterliegt hohen Voraussetzungen. Mit der folgenden „Checkliste“ lässt sich grob überprüfen, ob eine Kündigung wegen Krankheit wirksam ist.Für die inhaltliche Prüfung einer Kündigung wegen Krankheit hat sich der Begriff der „3-Stufen-Prüfung“ herausgebildet. Damit prüfen die Arbeitsgerichte für den Einzelfall, ob der Arbeitgeber kündigen durfte.

a 1. Stufe – Negative Prognose:

Ebenso wichtig wie kompliziert ist bei der Kündigung wegen Krankheit die negative Prognose. Der Arbeitgeber darf nämlich nicht deshalb kündigen, weil der Arbeitnehmer krank war, sondern weil er voraussichtlich weiterhin krank sein wird.Aber wie kann der Arbeitgeber eine solch schwierige medizinische Prognose treffen?

Hierfür haben sich in der Praxis vier Fallgruppen der krankheitsbedingten Kündigung herausgebildet. In diesem Zusammenhang wird dann doch auf die Vergangenheit zurückgegriffen, um daraus Rückschlüsse auf künftige Fehlzeiten zu ziehen. Ist eine der Fallgruppen einschlägig, spricht dies zunächst dafür, dass die Kündigung möglich ist. Kann der Arbeitnehmer allerdings beweisen, dass die Fehlzeiten künftig nachlassen (z.B. durch einen Arzt), hilft dem Arbeitgeber die Fallgruppe nicht.

Wichtig: Der maßgebliche Zeitpunkt für die Prognose ist der Zugang des Kündigungsschreibens beim Arbeitnehmer. Dass der Arzt nach diesem Zeitpunkt plötzlich deutlich bessere Heilungschancen bestätigt, hilft dem Arbeitnehmer nach dem Zugang nicht mehr. Unter Umständen hat er dann jedoch einen Anspruch, wieder neu eingestellt zu werden.

b 2. Stufe – Gibt es mildere Mittel?

Stets muss sich der Arbeitgeber die Frage stellen, ob es nicht ein milderes Mittel als die Kündigung gibt. In Betracht kommt vor allem, den Arbeitnehmer auf einen Arbeitsplatz zu versetzen, den er auch mit seiner Krankheit ausüben kann.

Beispiel: Ein Mitarbeiter in einem Warenlager, der überwiegend steht, hat Hüftarthrose und kann nur noch unter Schmerzen längere Zeit stehen. In demselben Warenlager wäre jedoch gerade auch eine Stelle als Gabelstaplerfahrer frei, wo er fast nur sitzen könnte. Hier wäre die Kündigung unwirksam, da ein leidensgerechter Arbeitsplatz frei ist.

Wichtig ist auch das sogenannte betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM). Der Arbeitgeber muss ein bEM mit dem erkrankten Arbeitnehmer durchführen, wenn dieser innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war (vgl. § 167 Abs. 1 SGB IX). Im bEM erörtern Arbeitgeber und Arbeitnehmer dann, wie die Krankheit überwunden werden kann, welche Vorbeugemaßnahmen ergriffen werden könnten und wie die Zukunft des Arbeitnehmers in dem Betrieb aussehen soll.

Führt der Arbeitgeber das bEM nicht durch, ist die Kündigung unwirksam. Eine Ausnahme gilt nach dem Bundesarbeitsgericht nur dann, wenn der Arbeitgeber darlegt, dass das bEM sowieso ergebnislos verlaufen wäre. Etwa, wenn eine Weiterarbeit in dem Betrieb mit der Krankheit unter keinen Umständen mehr möglich ist.

c 3. Stufe – Abwägung

Die wohl unberechenbarste Stufe ist die allgemeine Abwägung. Hier werden Argumente für und gegen die Kündigung gegeneinander abgewogen. g

Auf folgende Fragen kommt es vor allem an:

  • Wie lange ist der Arbeitnehmer schon in dem Betrieb beschäftigt?
  • Hat der Arbeitnehmer Kinder?
  • Wie alt ist er?
  • Wie sehr sind die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt (etwa wegen Störungen im Betriebsablauf oder den Lohnfortzahlungskosten)?

Beispiel: Ein Arbeitnehmer ist in vier Jahren insgesamt zehn Wochen wegen eines Bandscheibenvorfalls ausgefallen. Er ist seit über 20 Jahren in dem Betrieb beschäftigt. Außerdem ist er verheiratet und hat drei Kinder. Hier wird die Kündigung eher unwirksam sein, als bei einem neu eingestellten, jungen Arbeitnehmer ohne Unterhaltsverpflichtungen.

d. Formalien

Zudem muss der Arbeitgeber die üblichen Formalien beachten, die für alle Kündigungen gelten:

  • Die Kündigung muss stets schriftlich erklärt werden. Eine Unterschrift ist also zwingend.
  • Vor der Absendung des Kündigungsschreibens muss der Arbeitgeber den Betriebsrat angehört haben, falls einer besteht.
  • Zudem muss der Arbeitgeber die Kündigungsfristen beachten, die sich aus § 622 BGB ergeben. Die krankheitsbedingte Kündigung ist nämlich praktisch nur als ordentliche Kündigung mit einer Frist möglich.

Die fristlose Kündigung wegen Krankheit betrifft Fälle, in denen einem erkrankten Arbeitnehmer nach dem Tarifvertrag nicht ordentlich gekündigt werden darf. Selbst hier sind aber soziale Auslauffristen zu beachten, die sich an § 622 BGB orientieren.
Gibt der Arbeitgeber eine zu kurze Frist im Kündigungsschreiben an, ist die Entlassung nicht automatisch unwirksam. Es kommt stark auf den Einzelfall an.

  1. Muss der Arbeitgeber vor der Kündigung abmahnen?

Verbreitet ist die Vorstellung, dass nur gekündigt werden dürfe, wenn vorher mindestens drei Mal abgemahnt worden sei. Die Abmahnung soll den Arbeitnehmer jedoch auf Fehlverhalten hinweisen und ihn zur künftigen Besserung anhalten. Sie betrifft also nur die verhaltensbedingte Kündigung.Bei der krankheitsbedingten Kündigung kann dem Arbeitnehmer kein Vorwurf gemacht werden. Eine Abmahnung wäre sinnlos, weil der Arbeitnehmer an seinem Zustand nichts ändern kann. Die Kündigung wegen Krankheit ist daher ohne vorherige Abmahnung zulässig.

  1. Was gilt für die krankheitsbedingte Kündigung in der Probezeit und in Kleinbetrieben?

Arbeitsverhältnisse unterliegen während der ersten sechs Monate und in Kleinbetrieben keinem Kündigungsschutz. Hier ist eine Kündigung wegen Krankheit grundsätzlich jederzeit möglich.

  • Kündigungen in der Probezeit: In den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses gilt eine „Probezeit“. Hier greift noch kein Kündigungsschutz (§ 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz).
  • Kündigungen in Kleinbetrieben: Betriebe, die im Normalfall nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, werden als Kleinbetriebe bezeichnet. Arbeitnehmer mit bis zu 30 Stunden pro Woche werden hierbei als 0,75 Mitarbeiter gezählt und Mitarbeiter bis 20 Stunden pro Woche als 0,5 Mitarbeiter.

In diesen beiden Fällen sind nur diskriminierende oder willkürliche Kündigungen unwirksam. Ein Fall von Willkür läge etwa in folgendem Fall vor: Einem Arbeitnehmer in einem Kleinbetrieb, der seit fünf Jahren ordentliche Arbeit leistet, wird gekündigt, nur weil er zwei Tage wegen einer Erkältung gefehlt hat.

  1. Wer muss die Umstände für die krankheitsbedingte Kündigung beweisen?

Entscheidend ist bei der Kündigung wegen Krankheit vor allem, wer die negative Prognose darlegen und beweisen muss. Wer hat also vor dem Gericht vorzutragen, dass der Arbeitnehmer auch künftig wegen Krankheit fehlen wird?Im Grundsatz gilt folgende einfache Regeln bei Kündigungen: Der Arbeitgeber muss alle Voraussetzungen darlegen und beweisen. Er hat also insbesondere die dokumentierten Fehlzeiten vorzulegen und zu zeigen, dass kein leidensgerechter Arbeitsplatz frei gewesen wäre. Das heißt: Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer nicht einfach wegen Krankheit kündigen und ohne Weiteres verlangen, dass er von einem Arzt seine baldige Genesung beweisen lässt.Nur wenn der Arbeitgeber die Kündigungsvoraussetzungen schlüssig und glaubhaft darlegt, muss der Arbeitnehmer dies entkräften. Er hat darzulegen, dass er künftig nicht weiterhin häufig oder lange krank sein wird – etwa, weil er eine vielversprechende Behandlung oder Kur begonnen hat. Hierzu kann er etwa seinen Arzt von der Schweigepflicht entbinden oder medizinische Gutachten über die Heilungsprognosen einbringen.

  1. Warum Sie sich gegen die krankheitsbedingte Kündigung wehren sollten

Bei der krankheitsbedingten Kündigung können dem Arbeitgeber viele Fehler unterlaufen. Sie enthält nicht nur eine schwierige medizinische Prognose über den Gesundheitszustand, sondern ist auch unwirksam, wenn es andere passende Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. Zudem kann das Ergebnis der Abwägung kaum sicher festgestellt werden.Vor diesem Hintergrund lohnt es sich in der Regel, gegen eine krankheitsbedingte Kündigung vorzugehen. Ergebnis des Kündigungsschutzprozesses ist dann häufig ein Vergleich, in dem der Arbeitgeber sich zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet. Ein erfahrener Anwalt hilft Ihnen, eine möglichst hohe Abfindung auszuhandeln oder Ihren Arbeitsplatz zu erhalten – je nachdem, was Ihr Ziel ist.Wichtig: Haben Sie eine Kündigung erhalten, müssen Sie schnell reagieren. Ab dem Tag, an dem Ihnen die schriftliche Kündigung zugeht, haben Sie nämlich nur drei Wochen Zeit, die Klage zu erheben. Sonst ist Ihr Arbeitsplatz unwiederbringlich verloren.

  1. Fazit
  • Eine Kündigung wegen Krankheit kann oft angegriffen werden.
  • Wirksam ist sie – kurz gesagt – nur, wenn eine negative Prognose besteht, es keine andere Einsatzmöglichkeit gibt und die Interessen des Arbeitgebers überwiegen.
  • Diese Voraussetzungen muss der Arbeitgeber aufwändig beweisen.
  • Wichtig ist, die Klage binnen drei Wochen nach dem Zugang der Kündigung zu erheben.
  • In der der sechsmonatigen Probezeit und in Kleinbetrieben kann der Arbeitgeber allerdings grundsätzlich problemlos wegen Krankheit kündigen.
  • Eine Abmahnung wegen Krankheit gibt es nicht.

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Kategorien: Law

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